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Rekordförderung für einleistungsfähiges Wissenschaftssystem

22
Mai
2024
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Niedersachsen hat im Februar 2023 mit zukunft.niedersachsen das größte Wissenschaftsprogramm in der Geschichte des Landes aufgelegt. In den kommenden fünf Jahren sollen über eine Milliarde Euro in die Förderung von Forschung und Lehre fließen. Ein Beitrag von Bruno Brauer über das Programm, seine Neuausrichtung und  frühere Meilensteine.

Es geht um Geld, sehr viel Geld. In den kommenden Jahren wollen Niedersachsen und die VolkswagenStiftung gemeinsam mehr als eine Milliarde Euro zusätzlich für die Förderung von Forschung und Lehre bereitstellen. Das sei „eine fast einmalige Chance“, um neue Impulse für den Wissenschaftsstandort Niedersachsen zu setzen, sagt Niedersachsens Wissenschaftsminister Falko Mohrs. An der Notwendigkeit der Investitionen besteht für Mohrs kein Zweifel. „Wir brauchen die Innovationskraft unserer Wissenschaft, damit eine nachhaltige, ökonomische und ökologische Entwicklung unserer demokratischen Gesellschaft gelingt“, unterstreicht der SPD-Politiker. Für Mohrs geht es darum, „dass Niedersachsen als Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort durch Innovationen die Nase vorn behält. Hierzu wollen und brauchen wir für unsere Wissenschaft die bestmögliche Infrastruktur“.

Georg Schütte, Generalsekretär der VolkswagenStiftung, bescheinigt Niedersachsen „viel Potenzial für exzellente Forschungsstandorte“. Langfristig sei es das Ziel, mithilfe des Förderprogramms zwischen Ems und Elbe „ein leistungsfähiges Wissenschaftssystem zu bilden, das zum treibenden Faktor für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Transformation des Landes werden kann“. Man eröffne den Hochschulen kreative Freiräume, um zukunftsweisende Profile und Verbünde abseits des Mainstreams zu entwickeln. Im Vorfeld habe man als Stiftung seine Expertise für die Überarbeitung des Programms gern bereitgestellt, jetzt verfüge man zusätzlich über die Mittel für die gemeinsame Umsetzung. Schütte beziffert den jährlichen Dividendenzufluss für die Wissenschaftsforschung in Niedersachsen momentan auf 250 bis 270 Millionen Euro.

Zwei Männer und eine Frau halten ein Schild mit dem Aufdruck "zukunft.niedersachsen" in die Kamera

Im Februar 2023 stellten Generalsekretär Dr. Georg Schütte, Wissenschaftsminister Falko Mohrs und Susanne Menzel-Riedl, Vorsitzende der Landeshochschulkonferenz, die Neuausrichtung des Programms vor.

"Lange Linien für die Zukunft des Landes"

2023 haben das Land Niedersachsen und die VolkswagenStiftung die Rekordsumme von 510 Millionen Euro in Forschung und Lehre im Land investiert. Zum Vergleich: Im gesamten Berichtsjahr 2022 standen für die Wissenschaftsförderung in Niedersachsen zusätzliche 237,3 Millionen Euro zur Verfügung. Der überwiegende Teil der Fördermittel stammt aus der jährlichen Dividende der VW-Treuhandaktien des Landes Niedersachsen, die dem Gewinnabführungsanspruch an die VolkswagenStiftung unterliegen. Zudem stehen zukunft.niedersachsen einmalig 576,3 Millionen Euro aus einer Sonderdividende zur Verfügung, die aus dem Börsengang der Porsche AG am 29. September 2022 resultiert.

zukunft.niedersachsen-Mittel müssen immer zusätzlich verwendet werden – sie dürfen somit nicht den Grundetat der geförderten Institution entlasten.

Diese Sonderdividende soll nun innerhalb von fünf Jahren in das Förderprogramm fließen, insgesamt wird mit dem Programm über einen Zeithorizont von zehn Jahren gedacht. „Die Sonderdividende war der Anlass, ein Jahrzehnt nach vorne zu blicken und lange Linien für die Zukunft des Landes durch Wissenschaft aufzuzeigen“, so Rüdiger Eichel.

Eine Besonderheit in Deutschland

Für Rüdiger Eichel, im Ministerium verantwortlicher Leiter der Abteilung Forschung, Innovation und Europa, stellt die öffentlich-private Förderpartnerschaft von VolkswagenStiftung und Niedersachsen eine echte Besonderheit in Deutschland und eine riesige Chance für das Bundesland dar. „Die Agilität der Stiftung und die Kontinuität des Landes in der institutionellen Förderung – das sind die Erfolgsfaktoren seit 1962. Beide Partner haben diese Verbindung ständig weiterentwickelt – und werden das auch weiterhin tun“, erklärt er. Seit 1962 kooperieren das Land und die Stiftung unter dem Dach des Förderprogramms „Niedersächsisches Vorab“, das 2023 in zukunft.niedersachsen überführt wurde.

Auf Anraten der Wissenschaftlichen Kommission Niedersachsen (WKN) konzentriert sich das Förderprogramm auf drei Zukunftsfelder: Transformation, Digitalität und Spitzenforschung. Es geht dabei um Themen wie die Energie- und Mobilitätswende, das Wirtschaften der Zukunft und gesunde Lebensräume. Digitale Lehr-, Lern- und Prüfungsformate sollen gezielt gefördert werden, Stichwort Künstliche Intelligenz. Das Ziel des Förderprogramms ist es, von 2023 bis 2027 die Mittel insbesondere für solche Vorhaben einzusetzen, die innerhalb von fünf bis zehn Jahren eine spürbare Wirkung entfalten.

Wir wollen die klügsten Köpfe nach Niedersachsen holen beziehungsweise sie halten.

Wissenschaftsminister Falko Mohrs

Eine Exzellenz-Uni als Leuchtturm

Mit zukunft.niedersachsen will sich Niedersachsen auch verstärkt bei der Exzellenzstrategie des Bundes profilieren. Es sollen gezielt jene Universitätsstandorte unterstützt werden, die internationales bestehen können. „Wir wollen die klügsten Köpfe nach Niedersachsen holen beziehungsweise sie halten. Es ist unser Anspruch und unser Gestaltungswille, die Spitzenforschung in Niedersachsen weiter auszubauen. Mit diesem Anspruch wollen wir gemeinsam mit den Hochschulen und Forschungseinrichtungen das Land in Richtung einer guten Zukunft entwickeln“, sagt Falko Mohrs. Unter anderem soll mindestens eine Exzellenz-Uni als Leuchtturmprojekt Niedersachsen für führende Köpfe im Wissenschaftsbetrieb attraktiver machen.

„Die Hochschulen im Land nehmen das Programm als riesige Chance wahr“, sagt Georg Schütte. Zum Beispiel bei den kürzlich ausgeschriebenen Wissenschaftsräumen, bei denen die Förderung den Hochschulen die Möglichkeit biete, ihre Kooperationen gezielt auszubauen und perspektivisch das eigene Profil im nationalen Forschungswettbewerb weiter zu schärfen. Man sehe aber auch, dass bei der großen Zahl an Ausschreibungen aus der Chance auch eine Last für die Hochschulen werden könnte, merkt Schütte kritisch an. Die Beantragung von Fördermitteln binde personelle Ressourcen, auch die zeitliche Befristung von Fördergeldern könne mittelfristig ein Problem darstellen. „Hier suchen wir aktuell das Gespräch mit allen Akteuren – dem Ministerium, den Hochschulleitungen und den einzelnen Antragstellenden“, so Schütte.

Zwei Portraits von Männern, die in die Kamera schauen

Franz Dettenwanger (l.) und Rüdiger Eichel betreuen zukunft.niedersachsen in der Stiftung bzw. im Ministerium.

Eine Hebelwirkung bei Drittmitteln

Für Franz Dettenwanger, der auf Seiten der VolkswagenStiftung das Programm federführend betreut, ist die mit dem Einsatz der zusätzlichen Fördermittel erzielbare Hebelwirkung im Wettbewerb um weitere Drittmittel von besonderer Bedeutung. Mit dem Verbund „Quantum Valley Lower Saxony – QVLS“ nennt er beispielhaft eine Förderung aus jüngerer Zeit, mit der dies bereits nach einer relativ kurzer Förderzeit gelungen ist. Dort soll mit der Expertise von über 400 Forschenden verschiedener Fachrichtungen bis 2026 ein Quantencomputer mit 50 QuBits gebaut werden. Zeitgleich arbeite der Verbund daran, die Technik direkt in die Anwendung zu bringen, also auch wirtschaftlichen Mehrwert zu ermöglichen.

Fördermittel für Israel aufgestockt

Ein weiterer Meilenstein in der gemeinsamen Förderhistorie ist für Franz Dettenwanger die seit 1977 bestehende Forschungskooperation zwischen Forschungsinstituten in Niedersachsen und Israel. „Hunderte Kooperationen haben beide Länder über die Zeit eng zusammenwachsen lassen und so einen Effekt über die Wissenschaft hinaus“, sagt Dettenwanger. Nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 haben das Land Niedersachsen und die Stiftung die Förderungen noch einmal aufgestockt – aus Solidarität mit Israel. „In dieser schwierigen Situation wollen wir unsere Geförderten in Israel unbürokratisch zur Seite stehen“, betont Georg Schütte. Mit den Fördermitteln stelle Niedersachsen sicher, dass laufende Projekte fortgesetzt und abgeschlossen werden können, sagt Falko Mohrs.

Internationaler und interdisziplinärer werden

Experten bemängeln seit Jahren, dass die Forschung in Deutschland strategisch besser ausgerichtet sein müsste, um den Folgen des globalen Wandels effektiver zu begegnen. Die deutsche Wissenschaft muss unter anderem dringend internationaler und interdisziplinärer arbeiten, so ihr wiederholt geäußerten Rat. Das Wissenschaftsprogramm zukunft.niedersachsen bietet die finanziellen Möglichkeiten für diese strategische Neuausrichtung über Landes- und Fachgrenzen hinweg. Nicht nur für Niedersachsen ist es eine historisch einmalige Chance.